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Promille und Contra

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Echter Mehltau, die Kirschessigfliege, Spätfrost? Nope! Das neue Jahr beginnt mit Trockenstress. Der Dry January steht an und spaltet Wein-Deutschland in zwei Lager, die ulkiger kaum sein könnten. Auf der einen Seite haben wir die radikale Null-Prozent-Fraktion, die den selbst installierten Flüssig-Streik händeringend nach außen stülpt, um Karma-Punkte zu sammeln, auf der anderen die Jetzt-erst-recht-Suffis, die sich von der plakativen Keuschheit triggern lassen und bereits im Januar motiviert dafür sorgen, dass die Leber spätestens gegen Mitte des Jahres von der Spenderliste gestrichen wird.
Die omnipräsente Enthalt­samkeits­debatte Anfang des Jahres.
Was das Gendersternchen für den Kegel-Stammtisch Erlangen-West darstellt, scheint für die Wein-Bubble die omnipräsente Enthaltsamskeitsdebatte Anfang des Jahres zu sein, die auf einer Gesundheitskampagne aus England aus dem Jahr 2014 basiert. Für einen passionierten Wein-Nerd ist militanter Anti-Alkoholismus natürlich slightly nervig, doch mindestens genauso stört mich das unnötige Dry-January-Bashing. Diese Memes – Hilfe. „Dry January? Ich trinke doch immer trockene Weine!“ Nicht funny, Harald. Echt nicht, wirklich nicht. Sorry, da beweist selbst ein eingewachsenes Haar an der Innenseite meines linken Nasenflügels mehr Humor. Bitte, lassen, dringend, jetzt.

Um das klarzumachen: Es gibt kein Argument gegen weniger Alkohol. Niemals, jemals. Man muss den spaßigen Spiritus nicht gleich zum Nervengift stilisieren, das dem zu Vino nie no sagenden Erdling im Handumdrehen die Leber zerfrisst, doch kleine Pichel-Päuschen können nicht schaden. Den kompletten ersten Abschnitt des Jahres auf Alkohol verzichten, um sich ab Februar wieder elf Monate gottlos die Fettleber mit Spätburgunder-Salven zu perforieren, ist selbstverständlich sinnlos, eh klar.
Wer dem Körper etwas Gutes tun will, schraubt den Äthylkonsum einfach in Summe etwas runter, legt unter der Woche alkoholfreie Tage ein und lässt das random Glas semigeilen Weißburgunder an einem trostlosen Dienstagabend in diesem einen Tagescafé am Markplatz einfach weg. So mache ich es auch. Für mich lautet die Lösung: weniger trinken, aber besser. Qualität statt Quantität. Hin und wieder auf alkoholfreie Alternativen zurückgreifen. Ayran saufen, Maracuja-Schorle ballern, Wasser trinken, in Summe unnötigen Alkohol vom flüssigen Speiseplan streichen.

Am Ende erinnert die #dryjanuary-Diskussion auch irgendwie an die immer heiße Veganismus-Streiterei im Netz. In abgespeckter Version, nicht ganz so hysterisch. Ja, auch mich amüsiert das Gelaber der Tofu-Terroristen, Soja-Salafisten und Mandemilch-Masochisten und das wohlgemerkt, obwohl ich kein Pale-Ale-Boomer bin, der sich als letzte Bastion der Männlichkeit einen überdimensionalen Fleischlappen auf den Weber Grill klatscht, dennoch ist weniger eben weniger. Immer und always. Ob Alkohol, Fleisch oder Nikotin.
Milton Sidney Curtis, der Wein-Influencer und freie Autor bewegt mit Wortwitz, Biss und Charme schreibend die Weinwelt. Ob feine Tropfen kleiner Weingüter oder Markenweine von Global Playern: Sidney probiert, rezensiert und polarisiert. Ein selbsternannter „Silly Ass“ für alle, die Wein lieben!

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