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Im Gespräch mit Carsten Henn

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Diesen Monat dreht sich bei wine.vino.wein alles um kleine und große Fluchten in der kalten Jahreszeit. Im grauen Winteralltag sind es oft auch kleine Momente, die uns dabei helfen, abzuschalten und den Augenblick zu genießen – zum Beispiel gemütlich zu Hause mit einem spannenden Buch und einem guten Glas Wein. Wir begrüßen heute den Erfolgsautor Carsten Henn in unserem WeinChat und sprechen mit ihm unter anderem über sein Buch "Der Mann, der auf einen Hügel stieg und von einem Weinberg herunterkam".
Dein Buch "Der Mann, der auf einen Hügel stieg und von einem Weinberg herunterkam" thematisiert nicht nur die Leidenschaft für Wein, sondern auch persönliche Gedanken über Liebe, Freundschaft, Verlust und Neuanfang. Was hat dich dazu inspiriert, diese Aspekte miteinander zu verknüpfen, und was ist deiner Meinung nach die Verbindung zwischen Wein und Lebensphilosophie?

Carsten Henn:
Es war gar nicht geplant, das zu verknüpfen, sondern ist einfach passiert. Der Ansatz des Buches war ein anderer: mit einer Gruppe von Freunden und Bekannten hatte ich vor Jahren mehrere Weinbergs-Parzellen in der Lage St. Aldegunder Himmelreich an der Terrassen-Mosel gekauft – alles Steilstlagen mit Trockenmauern und wurzelechten Rebstöcken. Unser Ziel war einen großen trockenen Riesling zu erzeugen und finanziell ein bisschen was für unsere Arbeit zu bekommen. An beidem sind wir krachend gescheitert. Für mein Buch wollte ich über ein Jahr lang Spitzenwinzer und -winzerinnen besuchen und die Arbeiten im Weinberg mit ihnen zusammen durchführen, um herauszubekommen, was im Detail alles hätte besser gemacht werden können. Dabei habe ich von diesen beeindruckenden Menschen aber auch ganz viel erfahren, das sich aufs Leben übertragen lässt, Philosophisches wie Praktisches. Wer sich wie sie sehr ernsthaft, detailliert und umfassend mit einem Handwerk, wie es das Weinmachen eines ist, auseinandersetzt, der erfährt viel über das Leben an sich. Eine unglaublich wertvolle Erfahrung.

Du hast auf deiner Reise viele persönliche Begegnungen mit Winzern erlebt, die deine Einstellung zum Weinbau, aber auch deine Sicht auf das Leben beeinflusst haben. Gab es einen besonderen Moment oder eine Begegnung, die deine Perspektive auf den Weinbau besonders stark verändert hat?

Carsten Henn:
Jede war auf ihre Weise sehr wertvoll. Sei es die Probe mit lange auf der Hefe gelagerten Rieslingen bei Ernie Loosen, die mir die Bedeutung von Zeit veranschaulicht hat, der Rebschnitt bei KPK mit Augenmerk auf die Besonderheit jedes einzelnen Rebstocks, oder bei Kühns die Leidenschaft für Biodynamie zu erleben, alles prägend und beeindruckend. Am emotionalsten war aber die Lese in meinem eigenen Weinberg, den ich lange nicht betreten hatte, weil er ein Ort persönlichen Scheiterns war.

"Authentizität ist für mich ein hohes Gut in unserer Welt von Fake-News und Foto-Filtern."

Das Buch vereint Fachwissen über Wein mit einer emotionalen Erzählung. Wie hast du die Balance zwischen Fachwissen und Erzählkunst gefunden, um sowohl Weinkenner als auch Laien anzusprechen?

Carsten Henn:
Ich habe versucht, immer sehr nah an mir selbst und meinem Erleben zu sein, dabei offen, ehrlich und auch selbstironisch. Authentizität ist für mich ein hohes Gut in unserer Welt von Fake-News und Foto-Filtern. Eine bestimmte Leserschaft hatte ich gar nicht im Blick, um so mehr freut es mich, dass das Buch Weinexperten wie -laien anspricht und sogar Leserinnen und Leser, die mit Wein nichts am Hut haben, aber mich von Romanen wie dem „Buchspazierer“ kennen.

Inwiefern hat das Schreiben dieses Buches deine persönliche Beziehung zum Wein und zum bewussten Genuss im Alltag verändert?

Carsten Henn:
Es hat mich beruflich verändert, denn ich habe aufgrund des Buches, also den gesammelten Erkenntnissen auf dieser ein Jahr dauernder Reise, meine Stellung als Chefredakteur bei der VINUM gekündigt. Großer Wein entsteht nur mit genügend Zeit und ohne Hetze. Balance ist wichtig und damit meine ich nicht die ominöse Work-Life-Balance, sondern vielmehr, dass man Dingen die Zeit geben muss, die sie brauchen. So wie der Winzer im Weinberg seinen Reben oder im Keller seinem Wein. Gut Ding will Weile haben heißt es ja, das gilt bei Wein wie im Leben. Eine alte, eigentlich einfache Wahrheit, die aber ins eigene Leben zu inkorporieren kann eine enorme Aufgabe sein.

Hast du eine Lieblingsanekdote zum Thema Wein, die du gern erzählst?

Carsten Henn:
Die finden sich eigentlich alle in meinem Buch „Gebrauchsanweisung für Wein“. Eine für mich besonders prägende war die Probe mit einer edelsüßen Riesling Auslese vom Weingut Dr. Randolf Kauer aus Bacharach. Es war die Zeit, als ich – gerade mal 19 Jahre alt – mit meinem alten VW Käfer in Weinbauregionen ruckelte, die wichtigsten Güter besuchte und für unseren Familienweinkeller einkaufte. Als wir diesen Wein von Randolf – übrigens ein ganz wunderbarer Mensch – dann zuhause öffneten, ging mein Vater auf die Knie und segnete sich, weil er noch nie solch ein explosives Säure-Süße-Spiel am Gaumen erleben durfte. Das war natürlich mit Schalk im Nacken aber eben auch einem gehörigen Quäntchen Wahrheit, denn es war die Geschmacks-Explosion, von der man immer mal wieder liest, aber die sich so selten einstellt.

Unsere letzte Frage: Was ist dein Lieblingswein? Kannst du uns erzählen, wie du deinen persönlichen Lieblingswein kennen- und lieben gelernt hast?

Carsten Henn:
Den einen einzigen gibt es nicht. Eher Rebsorten und Regionen, denen ich verfallen bin. Fruchtsüßer Riesling Kabinett, Chardonnays aus dem Burgund, Weißweine aus dem Jura, Champagner, Cool Climate Pinot Noir, gereifte Riojas klassischer Machart. Gemerkt habe ich es daran, dass diese Flaschen in meinem Keller immer am schnellsten verschwinden. Viele andere Weine haben mich beim ersten Schluck begeistert und ich habe eine oder gleich mehrere Buddeln gekauft, aber später nie den Drang verspürt sie aufzuziehen. Aus den leeren Kartons und Kellerleichen habe ich mit der Zeit gelernt, was mir ganz profan am besten schmeckt. Was nicht bedeutet, dass mich ein 2020er Quinta da Fonte Souto Taifa im Bensberger „Vendome“ oder ein 2021er Chardonnay Tiglat vom Weingut Velich im Kölner „Le Moissonnier“ dann nicht vollkommen aus den Latschen haut und ich nichts anderes mehr in mein Glas lassen will!

Wir bedanken herzlich für das nette und spannende Gespräch mit dir, Carsten!
Carsten Sebastian Henn ist Autor, Weinjournalist und Restaurantkritiker. Er ist bekannt für seine Romane und Sachbücher, die oft Wein und Kulinarik als zentrales Thema haben. Ein herausragendes Beispiel dafür ist sein Werk "Der Mann, der auf einen Hügel stieg und von einem Weinberg herunterkam", in dem Carsten Henn seine persönlichen Erfahrungen und Herausforderungen beschreibt beim Versuch, in einem Weinberg an der Mosel eigenen Riesling zu produzieren. Das Buch geht der Frage nach, warum er sein Wissen nicht in die Praxis umsetzen konnte, stellt sein Scheitern im Weinbau als wertvolle Lernmöglichkeit dar und zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie der Wein sowohl als Genussmittel als auch als Metapher für Wachstum und Veränderung dienen kann.

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