Das Buch vereint Fachwissen über Wein mit einer emotionalen Erzählung. Wie hast du die Balance zwischen Fachwissen und Erzählkunst gefunden, um sowohl Weinkenner als auch Laien anzusprechen?
Carsten Henn:
Ich habe versucht, immer sehr nah an mir selbst und meinem Erleben zu sein, dabei offen, ehrlich und auch selbstironisch. Authentizität ist für mich ein hohes Gut in unserer Welt von Fake-News und Foto-Filtern. Eine bestimmte Leserschaft hatte ich gar nicht im Blick, um so mehr freut es mich, dass das Buch Weinexperten wie -laien anspricht und sogar Leserinnen und Leser, die mit Wein nichts am Hut haben, aber mich von Romanen wie dem „Buchspazierer“ kennen.
Inwiefern hat das Schreiben dieses Buches deine persönliche Beziehung zum Wein und zum bewussten Genuss im Alltag verändert?
Carsten Henn:
Es hat mich beruflich verändert, denn ich habe aufgrund des Buches, also den gesammelten Erkenntnissen auf dieser ein Jahr dauernder Reise, meine Stellung als Chefredakteur bei der VINUM gekündigt. Großer Wein entsteht nur mit genügend Zeit und ohne Hetze. Balance ist wichtig und damit meine ich nicht die ominöse Work-Life-Balance, sondern vielmehr, dass man Dingen die Zeit geben muss, die sie brauchen. So wie der Winzer im Weinberg seinen Reben oder im Keller seinem Wein. Gut Ding will Weile haben heißt es ja, das gilt bei Wein wie im Leben. Eine alte, eigentlich einfache Wahrheit, die aber ins eigene Leben zu inkorporieren kann eine enorme Aufgabe sein.
Hast du eine Lieblingsanekdote zum Thema Wein, die du gern erzählst?
Carsten Henn:
Die finden sich eigentlich alle in meinem Buch „Gebrauchsanweisung für Wein“. Eine für mich besonders prägende war die Probe mit einer edelsüßen Riesling Auslese vom Weingut Dr. Randolf Kauer aus Bacharach. Es war die Zeit, als ich – gerade mal 19 Jahre alt – mit meinem alten VW Käfer in Weinbauregionen ruckelte, die wichtigsten Güter besuchte und für unseren Familienweinkeller einkaufte. Als wir diesen Wein von Randolf – übrigens ein ganz wunderbarer Mensch – dann zuhause öffneten, ging mein Vater auf die Knie und segnete sich, weil er noch nie solch ein explosives Säure-Süße-Spiel am Gaumen erleben durfte. Das war natürlich mit Schalk im Nacken aber eben auch einem gehörigen Quäntchen Wahrheit, denn es war die Geschmacks-Explosion, von der man immer mal wieder liest, aber die sich so selten einstellt.
Unsere letzte Frage: Was ist dein Lieblingswein? Kannst du uns erzählen, wie du deinen persönlichen Lieblingswein kennen- und lieben gelernt hast?
Carsten Henn:
Den einen einzigen gibt es nicht. Eher Rebsorten und Regionen, denen ich verfallen bin. Fruchtsüßer Riesling Kabinett, Chardonnays aus dem Burgund, Weißweine aus dem Jura, Champagner, Cool Climate Pinot Noir, gereifte Riojas klassischer Machart. Gemerkt habe ich es daran, dass diese Flaschen in meinem Keller immer am schnellsten verschwinden. Viele andere Weine haben mich beim ersten Schluck begeistert und ich habe eine oder gleich mehrere Buddeln gekauft, aber später nie den Drang verspürt sie aufzuziehen. Aus den leeren Kartons und Kellerleichen habe ich mit der Zeit gelernt, was mir ganz profan am besten schmeckt. Was nicht bedeutet, dass mich ein 2020er Quinta da Fonte Souto Taifa im Bensberger „Vendome“ oder ein 2021er Chardonnay Tiglat vom Weingut Velich im Kölner „Le Moissonnier“ dann nicht vollkommen aus den Latschen haut und ich nichts anderes mehr in mein Glas lassen will!
Wir bedanken herzlich für das nette und spannende Gespräch mit dir, Carsten!
Carsten Sebastian Henn ist Autor, Weinjournalist und Restaurantkritiker. Er ist bekannt für seine Romane und Sachbücher, die oft Wein und Kulinarik als zentrales Thema haben. Ein herausragendes Beispiel dafür ist sein Werk "Der Mann, der auf einen Hügel stieg und von einem Weinberg herunterkam", in dem Carsten Henn seine persönlichen Erfahrungen und Herausforderungen beschreibt beim Versuch, in einem Weinberg an der Mosel eigenen Riesling zu produzieren. Das Buch geht der Frage nach, warum er sein Wissen nicht in die Praxis umsetzen konnte, stellt sein Scheitern im Weinbau als wertvolle Lernmöglichkeit dar und zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie der Wein sowohl als Genussmittel als auch als Metapher für Wachstum und Veränderung dienen kann.
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